Rückruf fehlerhafter Produkte

 

 

Von Christian Klein und Pierre-Yves Rossignol

 

Haftung. Nahezu täglich werden in Frankreich Produkte zurückgerufen, da sie eine Gefährdung für die Sicherheit und die Gesundheit von Menschen darstellen. In diesem Zusammenhang besteht sowohl für den Hersteller, als auch für den Händler das Risiko, zivil- und strafrechtlich haftbar gemacht zu werden.

 

 

Die Verpflichtungen des Herstellers

 

Die Produkthaftung betreffend lastet auf dem Hersteller eine besonders strenge rechtliche Verpflichtung: er unterliegt einer zur Transparenz- und Informationspflicht, was bedeutet, dass er zum einen seine Kunden und sein Vertriebsnetz informieren muss, sobald er Kenntnis von der Mangelhaftigkeit eines Produkts erlangt und zu anderen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen hat, um das Produkt zurückzunehmen oder zurückzurufen, wenn es bereits in den Verkehr gebracht wurde.

Diese Informationspflicht ergibt sich aus der Pflicht des Herstellers abgeleitet, ein konformes Produkt zu liefern und verpflichtet ihn, dem Käufer eines Produkts, selbst wenn es sich um einen gewerblichen Abnehmer handelt, alle erforderlichen Informationen im Hinblick auf dessen Verwendung zu geben und ihn gegebenenfalls über die sich daraus ergebenden Risiken zu informieren (Kassationshof, Kammer für Handelssachen, 27 Nov. JurisData Nr. 18-16.821).

Sämtliche für die Verwendung des Produkts notwendigen Informationen, müssen dem Kunden bereitgestellt werden. Nach Auffassung der Rechtsprechung kann aus einer bloßen Nichtinformation des Herstellers eine Fehlerhaftigkeit des Produkts ableitet werden (Kassationshof, Zivilkammer, 7. Nov. 2006, Nr. 05-11.604, Kassationshof 1. Zivilkammer, 4. Februar 2015 JurisData Nr. 13-19781).

 

Die Kunden informieren

 

Falls die Vermarktung des Produkts über ein Vertriebsnetz erfolgt ist, setzt die Wirksamkeit des Rückrufverfahrens voraus, dass sichergestellt wird, dass die Informationen, die die Sicherheit der Kunden gewährleisten sollen tatsächlich ordnungsgemäß an die Kunden weitergegen wird.

Ein dementsprechend ausreichend über die Schadhaftigkeit der Produkte und die Notwendigkeit eines Rückrufs informierter Händler handelt fehlerhaft, wenn er es unterlässt, den notwendigen Rückruf des Produktes vorzunehmen. Ein solches Verschulden ermöglicht im Schadensfall einen Haftungsrückgriff auf den Händler. Im Rahmen eines Rechtsstreits kann der Hersteller mit dem Nachweis, alles Erforderliche zur Durchführung einer Rückrufaktion getan zu haben, seine Haftung deutlich einschränken. So verliert der Händler, der dem Hersteller trotz zahlreicher diesbezüglicher Warnungen, nicht die Liste der Orte übermittelt hatte, an denen sich fehlerhafte Kondensatoren befinden, nach Auffassung der französischen Gerichte seinen Gewährleistungsanspruch gegenüber dem Hersteller (Handelsgericht Bobigny, 3. Okt. 2017, Nr. 2014F01799).

Die Händler müssen daher besonders aufmerksam sein und sich freiwillig und aktiv an den Rückrufverfahren beteiligen.

 

Die Sanktionen der Gerichte

 

Es ergingen zahlreiche Urteile, die die Untätigkeit des Händlers im Rahmen der vom Hersteller eingeleiteten Rückrufaktion Sanktionieren. So hat das Berufungsgericht Paris (8. Sep. 2015, Nr. 13/03298) den Händler einer Luftkühlung, die einen Brand verursacht hatte und bezüglich des Produktes eine Rückrufaktion eingeleitet war, mit der Begründung verurteilt „(…) das vom Käufer des Händlers erhaltene Fax (…), welcher aufgrund seiner fachlichen Kenntnisse in der Lage war, das betreffende Produkt zu identifizieren, den Inhalt und die Bedeutung des Schreibens zu verstehen und es an die zuständige Abteilung weiterzuleiten, kann sich das Unternehmen C. somit aufgrund der Untätigkeit oder einer ungenügenden Organisation ihrer Abteilungen nicht von den Folgen des Verschuldens befreien, das es begangen hat indem es am 24. Februar 2008 ein von seinem Hersteller zurückgerufenes Produkt an die Gesellschaft P. verkaufte.“

In einem Urteil des Berufungsgerichts Toulouse wurde dem Händler ebenfalls vorgeworfen, nicht die ihm zur Verfügung stehenden Mittel genutzt zu haben, um den vom Hersteller vorgenommenen Rückruf wirksam umzusetzen (Berufungsgericht Toulouse, 20. Januar 2020, Jurisdata 2020 – 000535).

 

Der Fall Lactalis

 

Im Dezember 2017 hatte der Rechtsfall „Lactalis“ eine große Aufmerksamkeit in den französischen Pressemedien verursacht. Dabei ging es um die Herstellung und die Inverkehrbringung von Milch durch das französische Unternehmen Lactalis, die in erster Linie für Kinder bestimmt war und in der in erheblicher Anzahl Salmonellen gefunden worden waren. Was in diesem Fall für besonderes Aufsehen sorgte, war, dass mehrere große Vertriebsketten einräumen mussten, dass sie dem Erlass des Wirtschaftsministers, durch den der Rückruf des Produkts angeordnet wurde, nicht nachgekommen waren. Ihnen wurde vorgeworfen, die kontaminierte Milch wissentlich verkauft zu haben.

In Folge wurden strafrechtliche Klagen, insbesondere auf Grundlage von Artikel L.532-3 des Verbraucherschutzgesetzbuchs eingereicht, der vorsieht, dass die Nichtbefolgung von aufgrund von Verwaltungsanordnungen zur Rücknahme von Produkten (Artikel L.521-4 Abs.521-16 des Verbrauchergesetzbuchs) angeordneter Maßnahmen ein Strafdelikt darstellt, für das das Verbraucherschutzgesetz ein Strafmaß in Höhe einer zweijährigen Haftstrafe und/oder einer Geldstrafe in Höhe von 15 000 € vorsieht.