Länderbericht Frankreich 2019

 

 

Article de Christian Klein, publié dans Recht der Internationalen Wirtschaft (RIW) – 22 janvier 2020

 

 
 
I. Rechtspolitischer Hintergrund
 

Überspitzt könnte man behaupten, dass das Corona-Virus in Frankreich im Jahr 2020 erreicht hat, was die politische Opposition, die Gewerkschaften und die Gelbwesten mit ihren Protesten in den vergangenen zwei Jahren nicht geschafft hatten, nämlich den seit Amtsantritt des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron im Jahr 2017 mit Volldampf fahrenden Reformzug zumindest vorübergehend zum Halten zu bringen. So mussten sich die von der französischen Regierung für 2020 geplanten Grossreformen des Rentensystems und der Arbeitslosenversicherung dem virusbedingten Ausnahmezustand unterordnen und vorerst hinter den dringenden Schutz- und Stützungsmaßnahmen zurücktreten. Dementsprechend rückten 2020 das Notstandsgesetz vom 23. März zur Bekämpfung der sanitären und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und dessen zahlreichen Durchführungsverordnungen in den Mittelpunkt der Regierungstätigkeit. Der in Frankreich insgesamt über drei Monate andauernde strikte Lock- und Shutdown und die damit verbundenen Einschränkungen im Publikumsverkehr führten zu erheblichen Beeinträchtigungen der Verwaltungsabläufe und teilweise sogar zum Stillstand der Tätigkeit der Gerichte. Wie in den europäischen Nachbarländern hat das Coronavirus weite Teile der französischen Wirtschaft monatelang lahm gelegt, insbesondere die Tourismusbranche, die Hotellerie- und Restaurationsbetriebe, der Einzelhandel und der Kulturbereich waren hart betroffen und verzeichneten dramatische Umsatzeinbussen. Die schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen konnten durch die schnellen staatlichen Liquiditätshilfen zunächst noch abgefedert werden. Ob sich jedoch die angeschlagenen Wirtschaftsbereiche schnell und dauerhaft erholen werden, ist fraglich. Viel wird für die Genesung der französischen Wirtschaft auch davon abhängen, ob das im September 2020 auf den Weg gebrachte Konjunkturpaket“ France Relance“ in Höhe von 100 Milliarden Euro zur Verbesserung der Rahmenbedingungen und der Förderung der Wettbewerbsfähigkeit die erhofften Wirkungen haben wird.

 

II. Wesentliche Gesetzesreformen und praxisrelevante Urteile in 2020

 

1.Reformen und gesetzliche Neuregelungen
 

A.Notstandsgesetz vom 23. März 2020

Das am 23. März 2020 verabschiedete Notstandsgesetz eröffnete der französischen Regierung die Möglichkeit, über Rechtsverordnungen drastische Einschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens zu erlassen und den Unternehmen umgehend finanzielle und rechtliche Hilfestellungen zur Eindämmung der Auswirkungen der Covid-19 – Pandemie einzuräumen. Im Rahmen dieses umfassenden Hilfspakets wurde die staatliche Investitionsbank BPI France finanziell so ausgestattet, dass sie die Übernahme von Garantien für Unternehmenskredite gewährleisten konnte. Etwa 600.000 französische Unternehmen haben mit einem Kreditvolumen von insgesamt 120 Milliarden Euro bislang von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Ferner wurden zur Vorbeugung von Liquiditätsengpässen ein Solidaritätsfonds für Kleinunternehmen und Selbstständige eingerichtet und die Zahlungen von Sozialabgaben und Steuerzahlungen gestundet, in Extremfällen sogar erlassen. Nach der erneuten Anordnung der Notstandssituation und dem zweiten “Shutdown” Ende Oktober wurden weitergehende finanzielle Soforthilfen für die von den Schließungen betroffenen Unternehmen beschlossen und die bisherigen Hilfsmaßnahmen zunächst bis Ende Februar 2021 verlängert.

 

 

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